08.08.2020
Nachdem zum wiederholten Male eine Strafanzeige von „Omas gegen Rechts“ mit dem Vorwurf der Beleidigung durch den Hallenser Nazi Sven Liebich abgelehnt wurde, sinnierten ein paar „Omas“ aus ganz Deutschland, was wir denn so tun könnten.
Und kamen auf die Idee, uns gemeinsam in Halle auf den Marktplatz zum Gegenprotest zu stellen, wenn er wiedermal, wie auch leider fast jeden Tag, seine Hetzreden hält.
Daraufhin gründeten wir eine Whatsappgruppe, in die nur uns bekannte Menschen Zutritt fanden. Und dann ging das Planen los. Noch bevor der endgültige Termin feststand fanden wir Datenlecks auf Facebookseiten.
Diese waren dann mit etwas Sucherei schnell gefunden. Liebich war zwar vorgewarnt und ließ auch in seinem Shop extra T-Shirts für seine Fanboys fertigen, hatte aber ansonsten keine wirkliche Ahnung und lief mit dieser Aktion zwei Wochen vor unserem Termin erst mal ins Leere.
Inzwischen wurde geplant, Übernachtungen, Anreisen, Aufstellplätze auf dem Hallenser Markt, Abstandsbändchen (es war und ist immer noch Corona-Pandemie), Liedtexte wurden geteilt, Trillerpfeifen gekauft, Schirme wurden gefertigt, Flugblätter gedruckt usw.
Eine sehr kreative Zeit.
Bei unseren Internetkonferenzen hatten wir viel Spaß.
Wir fuhren zu dritt aus NRW in Richtung Halle. Zwei „Omas“ aus Köln und der Eifel und ein „Opa“ aus Bonn.
Dann war es soweit. Inzwischen war es sehr heiß geworden, schließlich war Sommer. Temperaturen kurz vor 40 Grad. Wasser hatten wir alle genügend eingepackt. Wir verteilten uns unauffällig in Cafés und Eisdielen um den Marktplatz Halle.
„Endlich“ (also nicht wirklich, wer mag schon Hetzreden) sprang Liebich auf sein Auto.
Plötzlich erhoben sich überall Frauen und Männer, warfen weiße Westen mit dem Aufdruck „Omas gegen Rechts“ über, spannten weiße Schirme auf, trillerten was das Zeug hielt durch ihre Trillerpfeifen und näherten sich im Halbkreis dem Auto von Liebich.
Dieser war völlig überrascht. Dass wir das hinbekommen haben, hat er dann doch nicht für möglich gehalten. Immerhin waren gut 90 „Omas“ und „Opas“ im Gegenprotest.
Leider schoben sich dann erst eine Polizeikette, kurz danach Polizeiwannen zwischen uns und Liebich. Das hinderte uns aber nicht, weiter zu trillern und Spaß zu haben. Zwischendurch stimmten wir ein Lied an „Ein Männlein steht in Halle“. Liebich konnte man jedenfalls nicht verstehen.
Wir waren so laut, dass sogar das Glockenläuten der Marktkirche nicht von uns gehört wurde.
Als es wegen der Hitze schon etwas schwierig wurde, kam eine Sambagruppe zu uns auf den Marktplatz. Das gab noch mal Energie bis zu dem Zeitpunkt, als Liebich sich endlich verabschieden musste.
Es war eine wunderbare Aktion, die gezeigt hat, dass wir immer und überall zusammenhalten müssen.
——————————————————————————————————————–
Liebich wurde am 14.09.2020 vom Amtsgericht Halle zu einer Bewährungsstrafe von 11 Monaten verurteilt.
„Die Meinungsfreiheit gilt nicht schrankenlos. Sie endet dort, wo die Würde anderer Menschen untergraben wird. Dort, wo Straftatbestände erfüllt sind. Andere Menschen zu beleidigen, zu diffamieren, ihnen Falschzitate in den Mund zu legen oder Menschengruppen verächtlich zu machen – all das ist weder von der Meinungsfreiheit noch von der Kunstfreiheit gedeckt.“
https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/halle/halle/die-grenzen-der-meinungsfreiheit-urteil-im-strafprozess-gegen-rechtsextremist-liebich-100.html